W. – Ein missverstandenes Leben

Nach einer anstrengenden Arbeitswoche, habe ich den gestrigen Tag im Kreise der Familie ganz gemächlich ausklingen lassen. Eigentlich war es dann auch schon viel zu spät für einen Film, dennoch haben wir noch „W. – Ein missverstandenes Leben“ eingelegt. Meine bessere Hälfte ist recht schnell ins Traumland hinüber geglitten und auch ich hatte teils mit dem Schlaf kämpfen. Ob dies am Film liegt, oder eher den Umständen der Sichtung geschuldet ist, lest ihr in der folgenden Besprechung…

Als Oliver Stones „W.“ recht zeitnah nach der letzten Amtsperiode von George W. Bush erschien, hagelte es größtenteils harrsche Kritik. Oliver Stone habe seinen Biss verloren und zeichne ein zu mildes Bild des umstrittenen 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten. War Stone nicht einmal das politische Gewissen Hollywoods? Wie konnte er nur! Auch bei mir erweckte die kurze Produktionszeit und die Aktualität des Films durchaus eine gewisse Skepsis. Wäre es nicht besser gewesen noch ein wenig zu warten? Vermutlich war es aber gerade die schnelle Reaktionszeit Stones, die diesen Film ermöglicht hat. Das Thema war hochaktuell, brisant und Geldgeber entsprechend schnell gefunden.

Was den Inhalt des Films angeht, so kann ich nur vermuten, dass der Großteil der enttäuschten Kritiker eine bitterböse Satire erwatet hatte, die mit dem Regime Bush hart abrechnet. Oliver Stones Film lässt sich jedoch nicht so klar einordnen. Zwar gibt es durchaus satirische Elemente, doch liegen die Schwerpunkte eindeutig im Drama und der Tragödie. Der Rahmen ist dabei ein recht klassisches Biopic, das die wichtigsten Stationen in George W. Bushs Leben abarbeitet und dabei stets den Bogen zu seinem Untergang auf der politischen Bühne spannt. Dabei konzentriert sich Stone nicht auf die bereits von Michael Moore in „Fahrenheit 9/11“ totgerittenen unmittelbaren Reaktionen Bushs auf die Anschläge vom 11. September, sondern den – zumindest wie es im Film dargestellt wird – eher persönlich motivierten Angriffskrieg gegen den Irak.

Formal ist der Film durchaus gelungen. Er wirkt – typisch für Oliver Stone – meist dokumentarisch und beinhaltet auch die obligatorische Einbindung von Archivmaterial. Jedoch hatte ich an manchen Stellen das Gefühl, dass es zu schnell gehen musste. So sind einige Effektszenen, in denen Josh Brolin als George W. Bush in bestehendem Material zu sehen ist, doch eindeutig als Compositing auszumachen. Ebenso hätte man für die jüngeren Jahre durchaus einen anderen Schauspieler wählen können, da Brolin – so fantastisch er George Bush Jr. ab ca. 40 Jahren spielt – einfach nicht mehr für einen 20-jährigen Studenten durchgeht.

Die Leistungen der Schauspieler sind ohnehin sehr durchwachsen. Brolin ist fantastisch und in manchen Szenen meint man wahrlich das Original vor sich zu sehen. Eine exzellente Wahl und auf den Punkt gespielt. Ebenso grandios sind James Cromwell als George Bush Sr. oder Richard Dreyfuss als Dick Cheney. Komplette Ausfälle gibt es dagegen mit Thandie Newton als Condoleezza Rice und Jeffrey Wright als Colin Powell zu bestaunen. Was hat Stone bzw. seine Schauspieler da nur geritten?

Insgesamt ist „W.“ ein durchwachsenes Werk, das mehr ein Kaleidoskop unterschiedlicher Stationen in George W. Bushs Leben zeigt, als eine Biographie mit kohärenter Narrative zu sein. Umso erstaunter war ich, dass ich in den schmerzhaft anzusehenden finalen Szenen durchaus den Eindruck hatte einen guten Eindruck der Person W. bekommen zu haben. Hier kann ich Stone auch nur dazu beglückwünschen nicht den einfacheren Weg einer reinen Satire gegangen zu sein. Dennoch denke ich, dass mit 5 Jahren mehr Abstand und einem Autoren, wie z.B. Aaron Sorkin, aus dem auf jeden Fall ambitionierten Projekt ein wirklich großer Film hätte werden können: 7/10 Punkte.

9 Gedanken zu “W. – Ein missverstandenes Leben

  1. Mir war ja „der ganze Film (…) zu wenig bissig, zu wenig demaskierend. Zu tolerant. Praktisch irgendwie Stones Antwort auf Helge Schneiders Mein Führer. Eine der böswilligsten Figuren der Zeitgeschichte als Loser dargestellt“. Dafür fand ich Jeffrey Wrights Leistung gut – zumindest laut meinem Review von einst.

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    • Ich fand ihn schon ziemlich bissig und eher erfrischend, dass nicht nur auf Bush eingeprügelt wurde. Diverse Szenen haben seine Unfähigkeit (z.B. Lunch mit Cheney, Krankenbesuche, Staff-Meetings) ja sehr schön, wenn auch wenig plakativ gezeigt. Jeffrey Wright fand ich beinahe genauso schwach, wie Thandie Newton – und das bedeutet, wenn man ihre Leistung in diesem Film bedenkt, nichts Gutes.

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  2. Einer der Filme, die ich gekauft und bei dem ich eingeschlafen bin. Passiert mir sehr selten, diese Kombination. Hatte wohl auch eher was Richtung „Bush ist wirklich eine doofe Nuss“ erwartet.

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    • Ja, der Film hatte durchaus seine Längen. Ich fand ihn jedoch gerade deshalb spannend, da Stone zwar durchaus gezeigt hat, dass Bush eine wirklich doofe Nuss ist, ihn aber nicht einfach platt der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Hat nicht immer funktoniert, ingsgesamt fand ich den Ansatz aber durchaus gelungen.

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  3. Ich kann mich für den Film einfach nicht begeistern. Null Interesse, auch wenn ich Brolin sehr mag. Die Kritik macht’s gerade nicht besser, scheint aber genau das auf den Punkt zu bringen, was ich mir beim Trailer schon dachte.

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    • Wenn dich das Thema nicht interessiert, dann wird dir der Film nichts bringen. Ich sehe dem amerikanischen Politzirkus allerdings recht gerne zu und finde zudem die Kombi Stone/Bush sehr spannend.

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  4. Den hab ich mal für 3 € aus der Grabbelkiste beim Elektrofachhandel meines Vertrauens mitgenommen. So halb im Fernsehen gesehen, wollte ich mich nochmal ranwagen. Und er liegt nachwievor unangerührt im Regal. Kann mich schwer dazu motivieren. Und da anscheinend mehr Biopic (roter Faden?) als politisches Tamtam wird der wohl auch noch ne Weile da bleiben. Eines Tages…

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    • Stimmt, der wird ziemlich verschleudert. Habe auch nur knapp 5 Euro bezahlt, doch die ist er meiner Meinung nach allemal wert. Der Biopic-Anteil überwiegt durchaus, dennoch ist dieser durchsetzt mit politischen Ränkelspielen. Insofern hat man auch als Freund von Polit-Dramen durchaus seinen Spaß an dem Film. Ich bereue die Sichtung auf jeden Fall nicht.

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