Trust (2010)

Der Film wurde mir von einer geschätzten Kollegin mit der Warnung empfohlen, dass er für Väter wohl besonders harte Kost sei. Wahrscheinlich ist „Trust“ auch nicht die beste Wahl für einen entspannten Feierabend, doch manchmal muss man sich eben auch unbequeme Filme ansehen – und wie unbequem die Sichtung war. Manche Filmerlebnisse wollen hart erarbeitet werden und das trifft auf David Schwimmers eindringliches Vergewaltigungsdrama zweifellos zu.

Wenn man sich das Cover anschaut und sich die Inhaltsangabe durchliest, dann wird dem potentiellen Zuschauer vom Verleih ein knallharter Rachethriller suggeriert. Nichts jedoch könnte ferner von der Wahrheit sein. Die perfide Tat wird bereits innerhalb der ersten halben Stunde verübt. Zuvor gibt es Bilder einer ganz normalen Familie zu sehen: liebevolle Eltern und lebensfrohe Kinder. Von Anfang an nimmt digitale Kommunikation einen großen Stellenwert im Leben der älteren Tochter ein. Die Eltern setzen sich damit auseinander und zeigen durchaus Interesse am (digitalen) Leben ihrer Kinder. Auch wenn die Entwicklung bis zum Treffen mit dem Täter recht schnell geht, so wird der Weg dorthin doch erschreckend realistisch und ohne platte Erklärungsversuche (unaufmerksame Eltern o.ä.) dargestellt.

Richtig interessant wird der Film erst nach der Vergewaltigung durch den für den Zuschauer nahezu gesichtslosen Täter. Eine Allerweltsperson, die ihre Machtposition gegenüber der verunsicherten Annie (grandios gespielt von Liana Liberato) schamlos ausnutzt. Ab hier beginnt die Familie in sich zusammenzufallen: die Eltern sind rat- und fassungslos, die Tochter gebrochen und Freunde hilflos. In der folgenden Stunde wird schmerzhaft gezeigt, welchen emotionalen Tribut die Tat fordert. Besonders Annies Unverständnis und Verdrängung dessen, was ihr in dem Hotelzimmer angetan wurde, ist wirklich nur schwer zu ertragen. Auf der anderen Seite steht der Vater (Clive Owen), der absolut verloren ist und sich Rachefantasien hingibt.

Viele Themen werden in dem Film nur am Rande angesprochen und wirken deshalb vielleicht umso nachhaltiger. Sei es die Sexualisierung von Tweens (Kinder zwischen 10 und 13) in der Werbung oder das Herunterspielen von emotionalem und körperlichem Missbrauch in der Gesellschaft – der Film geht dahin, wo es wehtut und gibt weder dem Zuschauer noch den Charakteren Erlösung in Form von Gerechtigkeit oder ausgelebten Rachegelüsten. Konsequent konzentriert sich der Film bis zum Ende auf die Aufarbeitung der Tat und zeigt, dass man gemeinsam weitergehen muss. So schmerzhaft dies auch sein mag.

Auch wenn ich mir sicher bin, dass ich „Trust“ wohl kein zweites Mal sehen werde, so hat mich der Film doch stark beeindruckt. Er hebt keinen Zeigefinger und lässt falsche Moral außen vor. Er ist grausam, verstörend und doch hoffnungsvoll. Das Leben geht weiter. Auch für den Täter, dessen Auftritt im Abspann noch einmal ein Tritt in die Magengrube war. David Schwimmer (Ross aus der TV-Serie „Friends“) hat mit „Trust“ einen nachdenklich machenden Film abgeliefert, dessen Inszenierung angenehm zurückhaltend ist und der nahezu vollständig von seinen Schauspielern lebt. Willkommen in der schönen neuen Kommunikationswelt: 8/10 Punkte.

6 Gedanken zu “Trust (2010)

  1. Mit knapp 13 bzw. knapp 14 ist man eben dumm bzw. naiv und weit davon entfernt Situationen richtig einzuschätzen. Besonders wenn das Gegenüber über Monate hinweg so gekonnt auf der Klaviatur der Emotionen spielt. Der Film stellt im Schlussdialog ja auch klar heraus, dass das Handeln naiv und zu vertrauenswürdig war, doch es geht im Film ja genau um das bewusste Ausnutzen dieses Umstands. In diesem Punkt kann ich deine Kritik nicht nachvollziehen.

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  2. Auf den Film bin ich kürzlich mal wieder aufmerksam geworden. Das liegt allen voran am Regisseur. Wie David Schwimmer abseits der TV-Serie Friends inszenieren kann (dort führte er bei einigen Folgen ebenfalls Regie), stimmt mich wirklich gespannt. Jetzt muss der Film nur ein bisschen günstiger werden.

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  3. Wie gesagt ist die Inszenierung sehr zurückhaltend und auf die Schauspieler konzentriert. Trotz der reißerischen Aufmachung ist der Film auch eher ein ruhiges Drama. Schwimmer lag das Thema aber persönlich am Herzen und das merkt man.

    Die Blu-ray gab es vor ein paar Tagen für knapp 10 Euro. Also einfach mal Augen offen halten… 🙂

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