Departed: Unter Feinden – OT: The Departed

Nach „Gangs of New York“ habe ich gestern meinen zweiten Scorsese auf der großen Leindwand gesehen: „Departed: Unter Feinden“. Die Kritiken zu dem Gangsterdrama, die ich im Vorfeld gelesen hatte, waren mehr als zwiespältig. Von ‚Nach „GoodFellas“ sein bester Film‘ bis ‚Ein müder Abklatsch des Originals‘ war alles dabei. Dazu muss ich sagen, dass ich das Original – den Asiahit „Infernal Affairs“ – nie gesehen habe. Grundsätzlich stehe ich Remakes auch eher skeptisch gegenüber. Zumindest wenn ich auch das Original kenne. Doch selbst dann kann ich die Neuinterpretation zu schätzen wissen und mir ein objektives Urteil bilden. Umso unverständlicher kommt mir der Tunnelblick so mancher Kritiker vor, die Scorseses Film als Schund bezeichnen, nur weil er ein Remake ist.

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„The Departed“ erzählt im Grunde die Geschichte zweier Männer, die in Konkurrenz zueinander stehen. Die das genaue Gegenteil voneinander sind. Und doch ähnlich. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio), der Undercovercop und Colin Sullivan (Matt Damon), der Undercovergangster. Beide wissen um den anderen. Sie wissen jedoch nicht, wer der andere ist. Die Fäden laufen beim irischen Gangsterboss Frank Costello (Jack Nicholson) zusammen, der gleichzeitig FBI-Informant ist. Stoff genug also für ein Gangsterdrama der Extraklasse. Hinzu kommt zudem eine Polizeipsychologin (Vera Farmiga), die von den beiden gegensätzlichen Männern geliebt wird und zudem die einzige Vertrauensperson in diesem zwielichtigen Spiel ist.

Wenn ich nicht wüsste, dass „The Departed“ ein Remake ist, dann wäre ich nie auf den Gedanken gekommen. So sehr atmet der Film die dreckige Luft aus Scorseses Gangsteruniversen. Seine Handschrift ist in jeder Szene erkennbar. Selbst die Figuren – allen voran Frank Costello – sind typisch für diese Art von Film. Für Scorsese. Allein Billy ist etwas zu gut. Auch das Ende ist untypisch. In der letzten Szene des Undercovercops war ich wirklich geschockt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich denke jedoch diese Szene hätte eine weiter reichende Wirkung gehabt, wenn am Ende Colin nicht doch noch Gerechtigkeit widerfahren wäre. Erschien mir etwas wie ein Mittelweg und wenig konsequent. Doch egal wie man es dreht und wendet, das gesamte Ende ist untypisch für Scorsese und seine üblichen Charaktere. Und vielleicht gerade deshalb so überraschend gut gelungen.

Mehr als typisch für Scorsese ist jedoch die unglaubliche Inszenierung. Da stimmt einmal wieder alles. Man fühlt sich wirklich in die dreckige Gangsterwelt hineinversetzt. Die Kamera von Michael Ballhaus und die geniale Musikuntermalung tragen zur besonderen Atmosphäre bei. Allein die Szene in der Billy seinen Einstand ins Viertel feiert und THE HUMAN BEINZ mit NOBODY BUT ME erklingen. Wahnsinn. Neben der Inszenierung stechen besonders die fabelhaften Schauspieler heraus. Allen voran natürlich Jack Nicholson. Doch auch Leonardo DiCaprio kann wieder einmal zeigen, was er wirklich drauf hat. Auch Matt Damon macht seine Sache gut. Von dem grandiosen Supportcast einmal gar nicht zu sprechen.

Martin Scorsese ist mit „The Departed“ fulminant in sein Genre zurückgekehrt. Und das ausgerechnet mit einem Remake. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Original wirklich um so viel besser ist. Dafür liebe ich Scorseses Gangsteruniversen und die dreckige Atmosphäre einfach viel zu sehr. Ich werde „Infernal Affairs“ jedoch bei Gelegenheit eine faire Chance geben.

„The Departed“ mag nicht Scorseses bester Film sein. Vielleicht auch nicht der beste seit „GoodFellas“. Aber bestimmt der beste seit „Casino“. Zumindest meiner bescheidenen Meinung nach: 8/10 Punkte.

12 Gedanken zu “Departed: Unter Feinden – OT: The Departed

  1. Dann werde ich den wohl als nächstes sehen, wenn mal wieder Kino-Time in Göttingen ist.

    Ich muß zugeben, kein besonders guter Kenner von Scorseses Werk zu sein, was auch daran liegt, daß ich kein besonders großer Fan von Ganster- und Mafiafilmen im Allgemeinen bin. Sehr gut hat mir allerdings „Zeit der Unschuld“ gefallen, auch wenn der wohl kaum mit „The Departed“ vergleichbar sein dürfte. Bin also gespannt. Hoffentlich kriege ich die Handlung auch auf die Reihe. Bei so Gangster-Geschichten, wo jeder jeden foppt, verlier ich schnell mal den Faden.

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  2. Ich denke „The Departed“ ist auch für Nichtmafiafilmfreunde (was für ein Wort) geeignet, da es mit DiCaprios Charakter auch eine „gute“ Identifikationsfigur gibt. Recht verworren ist die Geschichte eigentlich auch nicht, man muss halt aufpassen und am Ball bleiben. Außerdem solltest du dich auf doch recht explizite Gewaltszenen gefasst machen, was vom Nürnberger Kinopublikum durch unreifes Gelächter quitiert wurde.

    Ich bin auf jeden Fall schon auf deine Kritik gespannt. Der Film hat auf Zuschauer, die in dem Genre nicht so zuhause sind, bestimmt noch einmal eine ganz andere Wirkung.

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  3. Ja so Multiplex-Kinos ziehen stets ein ganz besonderes Publikum an. Ich frage mich nur manchmal, ob sich gewisse Leute überhaupt vorher informieren, was sie sich da überhaupt anschauen.

    Wenn ich nun mehr Zeit und Elan hätte, würde ich noch einen Eintrag über das gestrige Kartenabholdrama und kompetente (ha!) Kinomitarbeiter verfassen. Aber da mir im Moment beides abgeht, erspare ich das den geneigten Lesern.

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  6. Noch kein Review zu „Infernal Affairs“ gefunden. Schade, noch nicht gesehen? Das Ende des Originals (HK-Variante nicht Mainland) ist im Übrigen um Längen besser.

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      • Hm, also ich kenne Departed nicht, habe vom Ende nur gelesen. Da favorisiere ich tatsächlich das HK-Ende, da es doch ziemlich pessimistisch ist, auch wenn es im Teil 3 dann relativiert wird.

        Bin mir nicht so sicher, ob der Film wirklich die gelungere Variante insgesamt ist. Tatsächlich sollen viele Einstellung praktisch identisch sein. Die HK-Variante lebt von den sehr unterkühlten Einstellungen eines unpersönlichen urbanen Molochs der immer mehr zur Falle wird, während Departed eher erdigere Töne anschlägt.

        Da ich selber HK kenne und liebe habe ich zu „Infernal Affairs“ natürlich eine persönlichere Beziehung.

        Hauptkritikpunkt an Departed ist im allgemeinen auch eher die Oskarwürdigung für ein fragwürdiges, wenn auch gutes Remake.

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      • Ich fand das Ende von „The Departed“ auch schon ziemlich niederschmetternd – zumal ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte und mich die Situation völlig kalt erwischt hat.

        Mir hat damals besonders die – von dir auch erwähnte – erdige Atmosphäre, der Soundtrack und die damit verbundene Inszenierung gefallen. Aber auch diese Sichtung liegt inzwischen schon wieder viel zu lange zurück und aktuell gibt es (leider?) viel zu viele andere Filme, die meine Aufmerksamkeit fordern.

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